Dieser Beitrag ist Teil unserer Blogbeitragsreihe von Student:innen am MCI | Die Unternehmerische Hochschule®. Die geäußerten Ansichten sind die der Student:innen selbst und sollen der Information sowie dem Diskurs dienen.
Autorinnen: Magdalena Fink, Maren Franz, Lea Gohm, Emma Rogge
Studiengang: Nonprofit, Social and Health Management, MCI
Im Rahmen der Vorlesung: Integrative Projekte im 4. Semester
Datum: 09.09.2024
Kontakt
FH-Prof. Dr. Lukas Kerschbaumer
Dozent & Studiengangsleiter des Bachelor-Programms Social, Health & Public Management
+ 43 512 2070 - 3711
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Dr.in Sibylle Auer
Fachbereichsleitung Freiwilliges Engagement
Caritas Tirol
+43 512 7270 - 6600
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Einleitung und Problemstellung
In Zusammenarbeit mit der Caritas ist die Gemeinde Rinn dabei, ein Nachbarschaftsnetzwerk zu entwickeln, welches das Potenzial hat, eine „Caring Community“ zu werden. Bis dato ist jedoch noch nicht sicher geklärt, ob es einen Bedarf für dieses Netzwerk gibt und wie dieses aussehen soll. Daher wurde in der Gemeinde eine erste Bedarfsanalyse durchgeführt.
Das Konzept der „Caring Communities“ ist eine Kultur der Solidarität und Unterstützung, die durch ein engmaschiges Netz von Beziehungen, Diensten und Betreuung ein Gefühl der Zugehörigkeit unter allen Einwohnern schafft. Eine „Caring Community“ besteht aus verschiedenen Gesellschaftsgruppen, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Es ist wichtig, dass alle Gesellschaftsgruppen mit ihren unterschiedlichen Herausforderungen und Fähigkeiten anerkannt werden.
Ein zentrales Thema, mit dem sich das Projekt in Rinn und ähnliche „Caring Community“-Projekte befassen, ist die demografische Alterung. Die informelle Pflege und Unterstützung durch Familie und Freunde ist ein wichtiges Thema, da sie es der älteren Bevölkerung ermöglicht, so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in ihrer vertrauten Umgebung zu führen. Im Gegensatz dazu führen Urbanisierungs- und Individualisierungstendenzen zu größeren Entfernungen zwischen Familienmitgliedern und einer Zunahme von Einpersonenhaushalten. Darüber hinaus kann die zunehmende Unvereinbarkeit von informellen Pflegeaufgaben und Berufstätigkeit zu einer erheblichen Belastung für pflegende Angehörige werden. Diese Herausforderungen schaffen dringenden Handlungsbedarf und werfen die Frage nach innovativen und niedrigschwelligen Unterstützungsmodellen und einem generellen Umdenken auf. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen, sondern auch um die Frage, wie eine aktive Gesundheitsförderung auf lokaler Ebene aussehen kann. Eine gesunde Nachbarschaft ist ein guter Ansatz, denn sie birgt durch soziale Vernetzung und gegenseitige Unterstützung gesundheitsfördernde Potentiale.
Ziel dieses Projektes war es daher, die im Gemeinwesen vorhandenen Bedürfnisse, Wünsche, Ressourcen und Potenziale zu ermitteln. Darauf aufbauend können nachhaltige und langfristige Konzepte und Strukturen entwickelt werden, die zu einer solidarischen, fürsorglichen und unterstützenden Gemeinschaft führen. Daraus ergibt sich die Forschungsfrage: „Welche Aspekte und Dimensionen müssen bei der Förderung von Pflegegemeinschaften durch Kommunen und andere soziale Träger berücksichtigt werden, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden und eine aktive Beteiligung und Nachhaltigkeit zu fördern?“
Methoden
Als Methoden wurden qualitative und quantitative Erhebungsinstrumente in Form von Interviews und Fragebögen gewählt. Zum Zweck der Bedarfsermittlung wurde ein halbstandardisierter Fragebogen entwickelt und eine Straßenbefragung durchgeführt. In Vorbereitung darauf wurden dreizehn Fragen formuliert, um die relevanten Bereiche wie Infrastruktur in Rinn oder die Interessen der Bevölkerung umfassend abzudecken. Ergänzend zu den Befragungen wurden Expert*inneninterviews durchgeführt. Die Fragen für diese Interviews wurden aus der Literaturauswertung und den Ergebnissen der Fragebogenerhebung abgeleitet. Außerdem wurden sie auf die zu befragenden Personen angepasst. Alle Themen, die in den Interviews besprochen wurden, orientierten sich eng an den Interessen des Projektpartners. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Definition von „Expert*innen“ nicht unbedingt eine akademische oder wissenschaftliche Qualifikation voraussetzt. Bei den ausgewählten Expert*innen handelt es sich um Personen, die über ein umfangreiches oder spezialisiertes Wissen in einem bestimmten Bereich oder zu einem bestimmten Thema verfügen. Die Expert*innen für die Interviews wurden sorgfältig ausgewählt, um verschiedene Perspektiven und Einblicke in das dörfliche Leben sowie in verschiedene Institutionen zu erhalten.
Ergebnisse
Während sich die Interessen der Bevölkerung in Rinn aus dem Fragebogen ergeben, zeigen sich in den Interviews bereits einige Handlungsfelder und konkrete Vorstellungen, wie das Netzwerk in Rinn umgesetzt werden kann. Wie aus dem Fragebogen hervorgeht, ist der Bekanntheitsgrad des Projekts bei der jüngeren Bevölkerung deutlich geringer als bei der älteren Bevölkerung. Die Interviews zeigen, dass die Verbreitung von Informationen optimiert werden muss, um alle Gesellschaftsgruppen zu erreichen. Um mögliche Bedarfe zu erkennen und geeignete Hilfsangebote umsetzen zu können, müssen diese gezielt benannt und koordiniert werden.
Die Motivation zur Teilnahme am Netzwerk muss nach Meinung einiger Befragter direkt aus der Bevölkerung kommen, die Rahmenbedingungen und Angebote müssen jedoch von der Gemeinde bereitgestellt werden. Diese sollten möglichst breit gefächert und niedrigschwellig sein. Die Befragung hat ergeben, dass vor allem die junge Bevölkerung bereit ist, an einem der vorgeschlagenen Angebote teilzunehmen, was ein hohes Potenzial in der Gemeinde darstellt.
Was sich in den Interviews ebenfalls herausstellte, ist die Tatsache, dass Vorschläge für Angebote sowohl von einzelnen Bürgern als auch von der Gemeinde oder anderen Organisationen kommen müssen. So kann der Bedarf an Bürgerzufriedenheit ermittelt werden, aber auch Raum geschaffen werden, um durch externe Vorschläge ein breiteres Angebot zu entwickeln. So fehlt beispielsweise eine Begegnungsstätte, ein Ort, an dem Gemeinschaft gelebt werden kann. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wünscht sich mehr Straßenfeste.
Der Wille zu mehr Gemeinschaft und das Potenzial für das Netzwerk sind nach Ansicht der Befragten in vielen Aspekten vorhanden, aber die Bevölkerung muss aktiv in die Planung und Vorbereitung miteinbezogen werden, um die Angebote nachhaltig zu gestalten. Außerdem muss auf die verschiedenen Generationen und den Ansatz, alle zu erreichen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, geachtet werden.
Konklusion
Nach umfangreicher Recherche, Datenanalyse und Diskussion der Ergebnisse kann die Forschungsfrage wie folgt beantwortet werden: Um die Schaffung eines Unterstützungsnetzwerks zu ermöglichen, müssen die Gemeinde und die Caritas nun einen Rahmen schaffen. Caring Community ist das Gegenteil von einseitigen Angebots-Nachfrage-Beziehungen zwischen der Gemeinde und der Bevölkerung. Für das Entstehen von Bottom-up-Initiativen ist jedoch ein gewisses Maß an Angeboten notwendig, um die Menschen zu inspirieren und zu motivieren, selbst aktiv zu werden. Im Folgenden werden auf der Grundlage der Erhebungen in Rinn einige Handlungsfelder skizziert und verschiedene Ideen zusammengetragen, die für den weiteren Prozess des Netzwerks „FÜREINANDERDASEIN“, wie das Projekt „Caring Community“ in Rinn genannt wird, relevant sein könnten.
Als Grundlage für das Netzwerk „FÜREINANDERDASEIN“ könnte es wichtig sein, eigene Ziele und Schritte zu definieren und über eigene Werte zu sprechen. Die Idee, eine fürsorgliche Gemeinschaft nicht als ein Projekt (unter vielen) aufzubauen, sondern sie als einen fortlaufenden Prozess zu definieren, der alles andere einrahmt, könnte zu einem tieferen Verständnis beitragen. Außerdem ist es sehr wichtig, auch die jüngeren Generationen einzubeziehen. Die Angebote des Projekts müssen für alle Generationen attraktiv und zugänglich gemacht werden. Ein weiterer essentieller Aspekt ist die Verbesserung des Austauschs und der Vernetzung innerhalb der Gemeinschaft, wobei verschiedene Kommunikationskanäle berücksichtigt werden sollten. Dazu kann es hilfreich sein, ein eigenes Team zusammenzustellen, das als zentraler Knotenpunkt des Netzwerks dient. Sobald die Zuständigkeiten innerhalb des Teams geklärt sind, kommt es darauf an, diese Rollen nach außen hin wirksam zu kommunizieren.
Um einen Rahmen zu schaffen, der eine lokal wachsende Gemeinschaft und Betreuungskultur ermöglicht und die Beteiligung fördert, muss auch der Raum für die Entwicklung des Netzwerks geschaffen werden. Wichtig ist, dass der Aufbau einer fürsorglichen Gemeinschaft nicht nur die Mesoebene des kommunalen und institutionellen Engagements und die Mikroebene der Bürgerbeteiligung betrifft, sondern auch die Makroebene der Landes- und Bundespolitik, insbesondere bei der Sicherung der Finanzierung und der Verteilung von Wohlfahrtsmandaten. Der Aufbau eines Netzwerks für eine fürsorgliche Gemeinschaft ist ein Prozess, der Zeit braucht, wobei jeder kleine Schritt, der die Gemeinschaft stärkt, ein Erfolg ist.
Weiterführende Links zum Thema:
Literaturverzeichnis
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